„Deine Geschichte ist nicht meine Geschichte – vom schmalen Grat zwischen Empathie und Abgrenzung“
Fachtagung zur Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen in Linz
Wie können Einsatzkräfte ihre Kolleg*innen nach herausfordernden Hilfseinsätzen unterstützen – und dabei selbst gesund bleiben? Diese Frage stand im Zentrum der Fachtagung zur Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen (SVE), die am 11. Oktober im Landes-Feuerwehrkommando OÖ in Linz über die Bühne ging. Mehr als 100 Peers und Fachleute aller großen (ober)österreichischen Einsatzorganisationen nahmen daran teil. Die Tagung verfolgte das Ziel, die Qualität der Peer-Arbeit zur Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen organisationsübergreifend weiterzuentwickeln, Synergien zu nutzen und die Zusammenarbeit in Großschadensfällen zu fördern.
Nach der Eröffnung der SVE-Fachtagung 2025 durch Landesrätin Michaela Langer-Weninger und Landes-Feuerwehrkommandant-Stv. Michael Hutterer lotete der Salzburger Kriseninterventionsexperte Ingo Vogl mit seinem Vortrag „Deine Geschichte ist nicht meine Geschichte“ das Spannungsfeld von Anteilnahme und professioneller Distanz aus.
Im Anschluss bot die Tagung viel Raum für praxisorientierten Austausch. Die Präsentation von aussagekräftigen Fallbeispielen aus der täglichen Arbeit des Bundesheers, der Bergrettung OÖ, der Krisenhilfe OÖ und den ÖBB bildete die Basis für eine intensive fachliche Auseinandersetzung im Rahmen von Workshops. Behandelt wurde dabei eine große Bandbreite an potentiellen Belastungen bei Einsätzen.
Vom Nischenangebot zur Erfolgsgeschichte:
25 Jahre Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen
Organisiert wurde die Fachtagung von der Arbeitsgruppe SVE OÖ, in der seit 2014 neun Einsatzorganisationen zusammenarbeiten: Bergrettung OÖ, Berufsfeuerwehr Linz, Höhlenrettung OÖ, Krisenhilfe OÖ, OÖ Landes-Feuerwehrverband, Notfallseelsorge OÖ, ÖBB, Polizei und Rotes Kreuz OÖ.
In den vergangenen 25 Jahren hat die Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: Was einst als Nischenangebot seinen Anfang nahm, ist heute in vielen Organisationen gelebte Praxis. Einsatzkräfte wissen heute, an wen sie sich wenden können, um fordernde Einsätze zu verarbeiten. Damit ist auch die Hemmschwelle gesunken, die Angebote tatsächlich in Anspruch zu nehmen – nicht zuletzt, weil sich in den Organisationen das Bewusstsein gefestigt hat, dass SVE ein zentraler Baustein ist, um in der Einsatzarbeit, gerade auch im ehrenamtlichen Bereich, langfristig gesund und motiviert zu bleiben.
Die SVE-Fachtagung 2025 setzte ein starkes Signal für netzwerkorientierte Zusammenarbeit und professionelle Unterstützung – zum Schutz all jener, die täglich für andere im Einsatz sind.
„Wenn jede Sekunde zählt, braucht es fachliche Fertigkeiten – es braucht aber auch mentale Stärke. Unsere Einsatzkräfte stehen regelmäßig vor enormen Belastungen. Wer in Extremsituationen hilft, ist auch selbst auf ein stabiles Sicherheitsnetz angewiesen. Mit der SVE-Fachtagung setzen wir ein Zeichen: Mentale Gesundheit zu schützen heißt zugleich, die Stärke und Zukunft unserer Einsatzorganisationen zu sichern“, betont Feuerwehr- und Katastrophenschutz-Landesrätin Michaela Langer-Weninger.
„Nach sehr schwierigen und belastenden Einsätzen können sich alle Bergretterinnen und Bergretter in Oberösterreich an das interne SVE-Team wenden. Dort erhalten sie Unterstützung bei der Verarbeitung des Erlebten. Die Krisenhilfe OÖ schloss eine Kooperation mit der Bergrettung OÖ. Sie unterstützt diese fachlich bei weiterführenden Betreuungen“, erläutert Georg Mathes, Peer SVE Bergrettung Oberösterreich & Bundesreferent für Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen.
„Herausfordernde Einsätze im Stadtgebiet zeigen, wie wichtig die Peer-Arbeit eines SVE-Teams auch im Feuerwehrwesen ist. Die rasche Unterstützung nach belastenden Erfahrungen ist ein zentraler Bestandteil von Psychohygiene und Arbeitnehmerschutz und sichert Einsatzfähigkeit sowie Kameradschaft. Peers hören zu, geben Orientierung und stärken das Vertrauen innerhalb der Mannschaft. Die SVE-Fachtagung bot einen wertvollen interorganisationalen Erfahrungsaustausch und eröffnet uns dadurch neue Wege, um die Qualität im SVE-Bereich zu sichern und die psychische Gesundheit der Einsatzkräfte nachhaltig zu fördern“, ergänzt Stefan Krausbar, Branddirektor Berufsfeuerwehr Linz.
„Die Höhlenrettung ist besonders gefordert, da unsere Einsatzkräfte die zu Rettenden fast immer gut kennen. Das beschäftigt uns oft noch sehr lange nach einem Einsatz. Gut, dass wir hier von den Erfahrungen der anderen Rettungsdienste profitieren können, auch wenn bei denen unser Normalfall eher die Ausnahme ist“, berichtet Peter Ludwig, Obmann Verband für Höhlenrettung in Oberösterreich.
„Unsere Feuerwehr hat das SVE-Team bereits mehrfach in Anspruch genommen. In schwierigen Zeiten hat es uns enorm unterstützt. Die Professionalität und das Einfühlungsvermögen des Teams sind beeindruckend. Es ist beruhigend zu wissen, dass wir in belastenden Situationen nicht allein sind. Es zeigt sich immer wieder, wie wichtig es ist, unsere Einsatzkräfte umfassend zu schulen und ihnen zur Seite zu stehen, wenn sie Unterstützung benötigen. Die gemeinsame Fortbildung stärkt die Zusammenarbeit der Rettungsorganisationen und hilft uns in der Feuerwehr, achtsam und respektvoll miteinander umzugehen“, schildern Adolf Trawöger, Landesfeuerwehrseelsorger OÖ und Michaela Helletzgruber, Notfallseelsorge Oberösterreich.
„Die SVE-Fachtagung 2025 demonstrierte eindrücklich, wie entscheidend rasche kollegiale
Unterstützungssysteme für Einsatzkräfte sind. Gerade die Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg eröffnet neue Perspektiven für die Entwicklung gemeinsamer Standards und stärkt die Rolle der Peer-Arbeit. Peers sind oft die Ersten, die nach schwierigen Einsätzen zuhören und Halt geben. Die Fachtagung hat einmal mehr gezeigt, wie wertvoll und wichtig diese Zusammenarbeit ist, um im Ernstfall noch besser koordiniert helfen zu können“, unterstreicht Katja Sieper, Leiterin der Krisenhilfe OÖ.
„Das Notfallinterventionsteam der ÖBB ist ein wichtiger estandteil im Notfallmanagement. Kolleg*innen in belastenden Situationen zu begleiten ist bei den ÖBB seit Jahrzehnten selbstverständlich. Die Kooperation mit anderen Einsatzorganisationen ist auch für die psychische Aufarbeitung wichtig. Eine gemeinsame Fortbildung fördert das Verständnis und die Zusammenarbeit“, erklärt Gerhard Cecil, Notfallinterventionsteam der ÖBB.
Psychohygiene im Polizeidienst ist eine unverzichtbare Grundlage, um langfristige Einsatzfähigkeit und seelische Gesundheit zu gewährleisten. Ein offener Umgang mit psychischen Herausforderungen ist essenziell, um Stigmatisierung zu verhindern und eine Kultur zu schaffen, in der sich jede*r sicher fühlt, Unterstützung anzunehmen. Die SVE-Fachtagung 2025 war ein hervorragendes Mittel, um gezielt auf wichtige Themen wie Psychohygiene im Einsatzwesen aufmerksam zu machen. Die Tagung ermöglichte den Einsatzorganisationen ihr praktisches Wissen vorzustellen, zu diskutieren und weiterzuentwickeln“, so Tanja Löffler, Polizeilicher Sozialer Dienst der Landespolizeidirektion OÖ.
„Psychosoziale Unterstützung ist ein wesentlicher Bestandteil professioneller Einsatzarbeit. Unsere Peers leisten einen unschätzbaren Beitrag, indem sie nach fordernden Einsätzen menschliche Nähe, Verständnis und Stabilität geben. Die SVE-Fachtagung zeigt, wie bedeutsam diese Arbeit ist und wie sehr wir voneinander lernen können, um jene zu stärken, die tagtäglich anderen helfen“, sagt Petra Keplinger, Fachliche Leitung KI und SVE des Roten Kreuzes Oberösterreich.



